Die Allianz begann 2010 eine bemerkenswerte Kundenkampagne. Was sie auszeichnet: Die meisten Protagonisten sind echte Kunden. Sie berichten von ihrer Erfahrung mit dem Versicherer. Mit dieser Authentizität will die Allianz vor allem eines erreichen: Ihre Nähe zum Kunden belegen. Wir haben uns angeschaut, ob das gelingt.
von Harry Weiland
Versicherer möchte man derzeit nicht sein. Fast wöchentlich berichten Panorama, Monitor & Co. vom Leid eines Versicherungskunden, der seine Leistungen mühevoll einklagen muss. Die Assekuranz-Branche hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Was hilft dagegen? Richtig! Referenzmarketing mit Case Studies. So können die Versicherer argumentativ den Gegenbeweis antreten. Kaum ein Versicherer nutzt das Instrument jedoch bislang. Zwar taucht in der Kommunikation hie und da mal ein Kunde auf, aber meist kommt der aus dem phantastischen Reich des „Herrn Kaiser“. Siehe auch hier im Blog: „Julius Bär: Kundenkampagne mit gefälschtem Kunden.“
Der erste Spot der Kunden-Kampagne: Vanessa S.
Bereits 2010 begann die Allianz, es anders zu machen. Die Erkenntnis zuvor: „Mit den klassischen Werbebotschaften kommt man nicht durch“, sagt Manfred Boschatzke, Leiter Werbung und Sponsoring der Allianz Deutschland AG im Gespräch mit casestudies.biz. Also beschloss man, sich um 180 Grad zu drehen: Die Produkte sollten nicht mehr aus Innen-, sondern aus Kundensicht erzählt werden. Man setzt in der Folge das um, was Leser dieser Website gut kennen: Authentisches Referenzmarketing mit wirklichen Kunden, filmisch im Reportagestil, mit echten Stimmen, echten Bildern und mit möglichst wenig Hochglanz. Da erzählt dann einfach mal die Musikerin „Vanessa S.“, dass sie ihre Gitarre bei der Allianz versichert. Oder ein verrückter Straßenmusiker (Udo S.) bekennt, dass er bei seiner Altersversorgung auf die Allianz baut. „Produktkommunikation als Leistungsfallbeschreibung“ nennt das Boschatzke, Case Studies eben, Storytelling. Apropos Namen: In manchen Videos werden die Protagonisten mit vollem Namen genannt, in anderen kürzt die Allianz den Nachnamen ab. Grund: Einige Kunden wollten nicht ihren vollständigen Namen in einem Werbefilm lesen, sagt der Versicherer.
Die Kundenkampagne bedeutet für einen Global Player wie die Allianz einen Paradigmenwechsel. Manfred Boschatzke räumt ein, dass Überzeugungsarbeit geleistet werden musste, auch nach innen. Auch die Rollen wurden anders verteilt: Die Regisseure Lars Büchel und Isa Prahl bekamen freie Hand, ein Drehbuch gab es nicht, die Werbeagentur (Grey) trat inhaltlich zurück. Boschatzke: „Eine solche journalistische Herangehensweise war für jeden Beteiligten eine Herausforderung.“ Und „richtig viel Arbeit“ war die Suche nach den passenden Protagonisten im Kundenstamm, auch wenn oder gerade weil man bei 19 Millionen Kunden die große Auswahl hatte.
Waren es 2010 allgemeine Leistungsfälle, die beschrieben worden sind („Allianz – eine Erfahrung“), so hat man 2011 und 2012 themenspezifische Geschichten erzählt. Nun tauchen auch Prominente in den Spots auf, beispielsweise die Torwarttrainerin in Leverkusen und ehemalige deutsche Fußballtorhüterin Ursula Holl oder TV-Experte und ehemaliger Automobilrennfahrer Christian Danner. 2013 wurde das ursprüngliche Kampagnenkonzept mit der Interaktionsidee „1 ist mir wichtig“ (www.1istmirwichtig.de) weiterentwickelt. Der Künstler Foster Huntington fragt Menschen landauf landab, was Ihnen wichtig ist und dokumentiert das filmisch und fotografisch auf der Website. Die Allianz weitet die Kampagne klassisch (TV), im Web und auf Social-Media-Kanälen im 360-Grad-Stil aus, so können beispielsweise User fotografieren, was Ihnen wichtig ist – und was sie – im übertragenen Sinne gerne in die Versicherungs-Obhut der Allianz übergeben würden.
In der Allianz-Zentrale in München ist man sehr zufrieden mit der neuen kundenzentrierten Kommunikationsstrategie: „Wenn man den Kunden richtig versichern will, muss man ihn fragen, was ihm wichtig ist“, sagt Manfred Boschatzke. Alles, was seit 2010 in diesem Stil von der Allianz gekommen ist, sei „eher eine Haltungskampagne, nicht so sehr eine Werbekampagne“. Und natürlich würde der andere, frische und junge Stil auf Image und Marke einzahlen.
Und welche Ergebnisse zeigt das kundenorientierte Konzept? Manfred Boschatzke verweist auf eine hohe gemessene Werbeerinnerung und auf sehr gute Response-Werte in den sogenannten sozialen Medien. Und es hätten sich aus dem Kampagnenansatz neue spannende Ideen und weitere gemeinsame Projekte entwickelt. So spielt die Musikerin Vanessa („Nessi“) auch mal bei Haus-Veranstaltungen der Allianz oder tritt im Vorprogramm der von der Allianz unterstützten Jazzopen in Stuttgart auf.
Dass die Strategie – übrigens auch international – funktioniere, zeigt aus Sicht der Allianz auch die Tatsache, dass man sie „auch 2014“ fortsetzten werde, sagt Werbeleiter Boschatzke.
Das casestudies.biz-Fazit: Der Ansatz ist klug, die Umsetzung gelungen. Nur ist es schade, dass die Allianz irgendwann darauf verzichtet hat, den vollständigen Namen ihrer Protagonisten zu nennen. Was immer wieder gerne vergessen wird: Formulierungen wie "Anne M." oder "Ralf Z." sind Beschreibungen, wie sie der Boulevardjournalismus in der Sex & Crime-Bereichterstattung verwendet. Das ist der Glaubwürdigkeit einer solchen Kundenkampagne abträglich. Wer 40 Millionen Kunden hat, findet auch welche, die kein Problem mit ihrer Namensnennung haben.
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