Geschichten mit Menschen im Mittelpunkt, von renommierten Filmemachern erzählt, powered by Siemens. Das ist das Konzept einer der bemerkenswertesten Bewegtbildkampagnen unserer Zeit: /answers. Mehr als 50 kurze Filme ließ Siemens in den vergangenen zweieinhalb Jahren produzieren. Sie erzählen Geschichten, in denen Siemens eigentlich die Hauptrolle spielt, aber lediglich in einer Nebenrolle zu erleben ist: Mit einem schlichten Hinweis auf die Siemens-Leistungen im Abspann. Der Absender der Filme ist deutlich, die Geschichten sind aber nicht Siemens-zentriert oder gar im Unternehmensbranding – sie erzählen Geschichten konsequent aus der Perspektive der Menschen, die von Siemens-Technologie profitieren, und das im individuellen „Look & Feel“ des jeweiligen Autors. Ist das Referenzkommunikation? Wirkt das? Oder ist es Kunst der Kunst wegen? Ein Blick hinter die Kulissen der Kampagne zeigt, dass das Konzept seine Wirkungen hat, auch wenn es nicht immer leicht ist, auch Produktverantwortliche davon zu überzeugen.
von Harry Weiland
Die These ist provokant: „References are nothing – Stories are everything.“ Tobias Dennehy, Corporate Story Architect bei der Siemens AG, will damit sagen: Eine Referenzgeschichte wirkt
nicht, wenn sie nicht auch gut erzählt ist. Für sein Empfinden werden Referenzstories viel zu oft „zu geradlinig erzählt“. Die Corporate Message werde dabei lediglich vom Kunden aus anderer
Perspektive wiedergegeben, die Schlussfolgerungen werden nicht dem Betrachter überlassen, die Zielgruppe viel zu wenig „als intelligentes Wesen“ wahrgenommen. Storytelling ist für den
Verantwortlichen der /answers-Kampagne mehr als nur ein paar hübsche Bilder mit einer netten Musik zu hinterlegen. Es gehe vielmehr darum, einen Spannungsbogen zu bauen, beim Betrachter eine
Erwartungshaltung zu erzeugen, eben im klassischen Sinne eine Geschichte zu erzählen, der man gerne zuhört. Und dabei sollen Menschen im Vordergrund stehen, denn „Märkte sind Menschen“, sagt
Tobias Dennehy.
Hier die You-Tube-Playlist mit allen answers-Videos und dem neusten zuerst:
Siemens setzt dieses Credo in der /answers-Kampagne konsequent um: Der Technologiekonzern lädt Dokumentarfilmer ein, ein Thema zu erzählen. Man habe quasi die Storytelling-Kompetenz ausgelagert, sagt Dennehy. Mit Agenturen arbeitet Siemens an dieser Stelle bewusst nicht zusammen, weil diese immer Gefahr laufen, „alles durch die Siemens-Brille zu sehen“ – und gerade das wolle man bei der Kampagne ja vermeiden. Der ausgewählte Autor – stets ein renommierter Dokumentarfilmer, der einen Namen hat und diesen nicht leichtfertig für Werbung oder PR aufs Spiel setzen will - schlägt dem Konzern drei Storylines vor, eine davon wird gemeinsam ausgewählt und umgesetzt. Siemens hilft bei den Kontakten und – wenn nötig – bei Informationen rund um das Produkt, lässt dem Kreativen aber freie Hand. Er soll seine Geschichte so erzählen, wie er es für richtig hält. Dennehy: „Der Autor hat das Sagen“. Streng genommen entstehen dabei keine Referenzfilme: In nur einem Bruchteil der bisherigen /answers-Videos spricht ein Siemens-Kunde.
In der Kampagne entsteht auch Seltenes: Wenn ein Filmemacher nun eben auf sämtliche Hintergrundmusik verzichten will, dann sei das eben so. Herausgekommen sei in diesem Fall ein „ganz anderer,
ganz intensiver, einzigartiger Film“, sagt Dennehy. Es sei durchaus Teil des Konzepts, dass nicht jedem jeder Film der Kampagne gefalle, sagt der studierte Journalist und Germanist. „Gute
Geschichten polarisieren eben auch.“ Siemens hat mit den Autoren übrigens vereinbart, dass ihr Werk lediglich im Rahmen der /answers-Kampagne verwendet wird, aus dem Material werden keine
Werbefilme produziert, es darf nicht einmal in klassischer Online-Werbung des Konzerns verwendet werden. Gleichwohl tauchen aber einige Helden aus den /answers-Filmen ab und an auch in
Printwerbung auf.
Aktuelles Beispiel der Kampagne (siehe oben): Ein Schweizer Bergführer erzählt über sein Leben in den Bergen, die Gletscher und die Gefahren für diese Welt rund um die Monte-Rosa-Hütte im schweizerischen Tessin. Der /answers-Film soll neugierig machen auf die High-Tech-Ausstattung, die Siemens Gebäudetechnik gemeinsam mit der ETH Zürich der modernen Berghütte verliehen hat. Auf die Leistungen von Siemens wird – getreu dem Kampagnenprinzip – lediglich im Abspann mit einem sachlichen, schlichten Hinweis verwiesen. „Britisches Understatement“ nennt das Tobias Dennehy.
Gut vorstellbar, dass solcherlei Kommunikation fernab des Produktes nicht jedem im Unternehmen gefällt. „Warum verwenden wir nicht die starke Siemens-Marke, um die Aussage zu verstärken?“, wird da schon mal gefragt. Tobias Dennehy versteht diese Zweifel, schließlich gebe man an dieser Stelle die Kontrolle über die Kommunikation aus der Hand – keine einfache Sache, auch für Marketiers. Aber die Siemens-Marke stehe nun mal extrem stark für Technologie, weniger für Storytelling, also hat die Unternehmenskommunikation 2011 beschlossen, diesen neuen Weg zu gehen.
Verständlich ist auch, dass die Geschäftsbereiche bei der /answers-Aktion schon mal den Bezug zum Produkt vermissen. Die Kampagne habe aber nicht die Aufgabe der klassischen Referenzkommunikation, diese finde nach wie vor in den Sektoren statt, unterstreicht Tobias Dennehy. Diese Bewegtbildkampagne sei vielmehr eine Branding-Maßnahme, die den Sales-Funnel an einer frühen Stelle vorbereitet und nicht zuletzt auf die Unternehmensmarke Siemens einzahlt – allgemein und vor allem auch im Employer Branding. „/answers“ sei vor allem eine Social-Media-Aktion und soll auf diesen Kanälen spielen, denn gut erzählte Geschichten seien idealer Content für die kommunikationsintensiven Social-Media-Kanäle. Dennehy: „Social Media ist Storytelling“.
Die Produktverantwortlichen gehen außerdem nicht ganz leer aus: Im Laufe der Kampagne hat man begonnen, die /answers-Filme mit einem Deep-Link auf das entsprechende Siemens-Produkt zu versehen. Mit sehr gutem Erfolg: die durchschnittliche Klickrate auf den Produktlink beim /answers-Film liegt nach Siemens-Angaben bei 11 Prozent, in der Spitze sogar bei 19 Prozent.
Die /answers-Macher sind demnach nach zweieinhalb Jahren Laufzeit mit den Ergebnissen der Kampagne zufrieden. Den Erfolg misst man bei Siemens in einer Matrix aus quantitativen und qualitativen Faktoren.
Die quantiativen Erfolge:
Qualitative Erfolge:
Darum entwickelt man in der Münchner Zentrale das Format weiter: Das neue Format „High Tech in 60 Sekunden“ gehört dazu, und filmische Portraits von Menschen, die bei Siemens Wegweisendes erfunden haben. Immer dem Glaubensgrundsatz folgend, dass hinter jedem Unternehmen ein Mensch steht, der eine interessante Geschichte zu berichten hat, die sich andere Menschen gerne anschauen - wenn sie denn gut erzählt wird.
Das beliebteste answers-Video:
Das answers-Video ohne Hintergrundmusik:
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Kerstin (Donnerstag, 05 Dezember 2013 14:27)
Tolle Idee!! Finde diese Form der Referenzierung viel schöner und nachhaltiger als den "geradlinigen" Stil. Emotionen wirken - meiner Meinung nach - auch viel nachhaltiger als reine Fakten.
Ich finde es super, dass Siemens diesen vollkommen neuen Ansatz geht und auch so konsequent durchzieht.